Mittwoch, 10 November 2021 15:43

Westalpentour ein Klassiker

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Die Westalpen sind ja schon seit Jahrzehnten beliebter Anfahrtspunkt für Geländewagenfahrer. Dieses Gebiet im Grenzgebiet von Italien und Frankreich übt nicht zuletzt deswegen eine große Faszination aus, weil es dort noch möglich ist, nicht asphaltierte Wege unter die Räder zu nehmen. Diese meist alten Militärsträßchen waren einst Verbindungswege zu alten Forts oder ganz normale Pisten über die Berge, lange bevor Geländewagen erfunden wurden.

dsc 0054Der Boom, diese Wege zu befahren, begann schon in den 80er Jahren und hat bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt! Die militärische Vergangenheit liegt lange zurück, viele der Pisten sind heute auch nicht mehr befahrbar – die Instandsetzung ist schwierig und teuer, den Rest erledigten einige Rowdies, die durch unbedachtsames Fahren für Verbote sorgten. Umso wichtiger ist es also, den letzten offenen Bergstrecken mit Respekt zu begegnen und nicht noch für weitere Verbote zu sorgen!

 

 

dsc 0069Das erste Mal war ich 1996 in diesem Gebiet rund um die Maira-Stura-Gegend zwischen Cuneo und Bardonecchio unterwegs und sehr beeindruckt von der wunderschönen Bergwelt. Was lag also näher, als zusammen mit Freunden aus dem Pickupforum mal eine solche Tour zu starten? Im Juli 2009 war es so weit, eigentlich schon fast Nostalgie. Deshalb ist mir das auch eine Story wert, die Bilder und Eindrücke sind zu schade, um einfach auf einer Festplatte dahin zu vegetieren!

Mit Timo und Sabine als Guides waren wir dann 5 Pickups und ein Cherokee, mein grauer Hilux sollte mein Hotelzimmer für die nächsten 10 Tage on Tour werden. Gemeinsam mit Andy, meinem Beifahrer, starteten wir in der Oberpfalz und machten uns auf zu unserem Treffpunkt, dem Camping Tunnel in Etroubles. Irgendwann am Abend sind die letzten eingetroffen, bei einem gemeinsames Abendessen waren wir doch gespannt, was uns erwarten würde. Timo war schon öfter in der Gegend und hatte einen guten Plan mit vielen bekannten Sehenswürdigkeiten ausgearbeitet, auch der Wetterbericht für die nächsten Tage verhieß trockenes Wetter.

dsc 0150Durchs wunderschöne Aostatal über den kleinen St.Bernhard, dem bekannten Wintersportort Val d´Isere und hinauf zum Col d´Iserant auf 2770 m gings auf der anderen Seite wieder hinunter. Ein Wasserfall war nur zu Fuß zu erreichen, aber mal die Beine vertreten schadet ja nix! Der Campingplatz „Le Chardon Bleu“ bei Landslevillard bot uns einen tollen Ausblick auf die Berge und zum Fort de la Toura. Bei einem unserer Fahrzeuge klemmte der Untersetzungshebel, aber dank unserer überaus fähigen Jungs wurde das an Ort und Stelle repariert.

Am Tag darauf wurde der Col de Mont Cenis angefahren, von dort aus zweigte eine Piste ab, die um den Lac de Mont Cenis führte. Traumwetter, die letzten Nebelschwaden verzogen sich und ließen den See noch blauer erscheinen als sonst! Da die Auffahrt zum Forte Variselle leider schon vor einiger Zeit gesperrt wurde, parkten wir unser Pickups und wanderten den letzten Kilometer steil bergauf bis zum 1880 erbauten Fort. Dieses ist noch gut erhalten und man kann Geschichte hautnah spüren, wenn man die alten Ruinen erkundet. Es diente im 1. Weltkrieg einer großen Besatzung als Unterkunft.

dsc 0079Auf dem Weg nach Susa machten wir noch einen Abstecher zum Lac Roterel, der Hilux nahm einige Erinnerungen in Form von kleinen Kratzern mit nach Hause. Leider war die komplette Tour wegen einem Schneebrett nicht möglich. In Susa wurden die Vorräte ergänzt, als nächstes stand der Colle del Finestre auf dem Plan. Zur sehr staubigen Auffahrt kam noch der dichte Nebel, als Krönung mussten wir auch noch an einem Baustellen-LKW vorbei, enger hätte es nicht werden dürfen! Und wir ließen es uns natürlich nicht nehmen, am Schild oben am Colle del Finestre unseren Aufkleber anzubringen! In Fenestrelle fanden wir einen damals noch nicht ganz fertigen Campingplatz mit schönen Stellplätzen direkt am Waldrand.

dsc 0130Über den Wintersportort Sestriere rollten wir hinunter ins Tal nach Cesana und dann weiter nach Sagna Longo. Den Lago Nero hatten wir 13 Jahre vorher schon mal angefahren, die anspruchsvolle Tour ließ uns ein paarmal die Untersetzung einlegen, einige sehr ausgewaschene Stellen erforderten doch etwas Feingefühl. Nach dem Lago Nero wurde es noch steiler Richtung Ponte Chaberton. Der wunderschöne kleine Lago Nero lag vor uns, auf der Talfahrt zweigten wir ab, bis uns eine alte, baufällige Brücke stoppte. Drüberfahren, drumherum fahren, zurückfahren? Die Abenteuerlust siegte, es gab eine Möglichkeit, diese Brücke durch ein Bachbett zu umfahren. Also etwas körperliche Arbeit in Form von Steinen aufschlichten, und mit Einweiser lotsten wir jedes unserer Fahrzeuge heil durch das wenig Wasser führende Bachbett.

dsc 0273An einem Bergbauernhof kauften wir Käse und konnten dafür auf der Wiese des Bauern übernachten. Ein echter „Offroad-Eintopf mit allerlei Zutaten ließ uns einen schönen Abend auf ca. 2000 m verbringen. Die Nacht regnete es fast durch, aber am nächsten Morgen lachte schon wieder die Sonne und wir fuhren hinunter ins Tal Richtung Oulx, vorbei an vielen alten, verfallenen Gehöften. Ein loser Achsschenkel an Hanjo´s L200 zwang uns zu einem unfreiwilligen Werkstattaufenthalt, gottseidank konnte alles repariert werden. Vom Werkstattpersonal erfuhren wir auch den aktuellen Zustand der Pisten zum Sommeiller und Jafferau – sie meinten, Schneebretter würden wohl den Weg versperren! Das ließ natürlich unsere Stimmung etwas sinken, Timo meinte, es trotzdem zu versuchen.

dsc 0194Immer höher ging es bergauf in enge Kehren, die einen mehr als einmal zurücksetzen ließen! Die Strecke ließ einem zwar keine feuchten Hände kriegen, aber ein wenig achtsam sollte man schon fahren auf dem teilweise schmalen Weg. Ein Bagger war gerade dabei, ein Schneebrett zu beseitigen und winkte uns durch – in Deutschland undenkbar! So schafften wir es bis ca. 2 km unterhalb der Endstation am Colle Sommeiller auf 2815 m. Der Weg dort hoch ist eine Sackgasse, man muss also den gleichen Weg wieder zurück. Heute ist da mehr los als früher, wir hatten Glück und trafen nur wenige andere 4x4-Fahrer, das gilt für die gesamte Tour. Am Rückweg entdeckten wir ein schönes Plätzchen direkt am Gebirgsbach, eine Übernachtung auf 1989 m in traumhafter Bergkulisse!

Die Sonne stieg langsam über die Bergspitze, der Wunsch nach einer Dusche war größer als die Angst vor dem kalten Wasser. Also schnell die Solar-Dusche gefüllt, bei 7° Außentemperatur kann man das Wort „Solar“ natürlich nicht sonderlich ernst nehmen. Es war die kälteste Dusche meines Lebens – mit dem Effekt, den ganzen Tag fit gewesen zu sein! Andy verzichtete gleich auf die Solardusche und nahm den eiskalten Bergbach, ein Krebs hätte nicht röter sein können als er!

dsc 0197Die Auffahrt zum Monte Jafferau ließ uns Staub schlucken ohne Ende, der Hilux packte den langen, steilen Aufstieg mit Bravour, während die L200 mit Temperaturproblemen zu kämpfen hatten! Am Fort Foens machten wir Zwischenstation, dann erklommen wir in nicht enden wollenden Serpentinen den Jafferau. Oben angekommen am alten Fort fragt man sich unwillkürlich, wer hat vor 100 Jahren hier alles raufgeschleppt? Eine grandiose Aussicht auf die Westalpen entschädigte für das Gerumpel und die anstrengende Auffahrt. Durch die „Galeria di Saraceni“, einem engen, unbeleuchteten Tunnel krochen wir wieder talwärts, am Campingplatz San Bosco in der Nähe von Oulx ließen wir uns in der dortigen Pizzeria einige kalte Bierchen und eine große Pizza schmecken!

dsc 0150Natürlich ist keine Alpentour vollständig ohne eine Befahrung der Assietta-Kammstraße, die sich viele Kilometer immer am Bergkamm hinzieht und hinter jeder Kurve interessante Fotomotive bietet! Etwas verunsichert durch widersprüchliche Aussagen von ein paar Tourenfahrern versuchten wir es trotzdem. Beim ersten Versuch in der Nähe von Souze d´Oulx versperrte uns eine Schranke die Weiterfahrt, also versuchten wir es an anderer Stelle. Und hatten Erfolg! Belohnt wurden wir durch eine schöne Tour mit tollen Ausblicken und nebenbei ein wenig groben Schotter unter den Rädern genießen! Da wir irgendwie nicht so den geeigneten Camp-Platz für die kommende Nacht fanden, fuhren wir im dichter werdenden Nebel hinauf zum Lago Lauson auf 2030 m. Das Wetter verschlechterte sich zusehends, Lust, wieder hinunter zu fahren, hatte im dichten Nebel keiner. Also machten wir das Beste draus und schlugen unser Lager in der Nähe des kleinen Sees auf. In einer Hirtenunterkunft fanden wir ein trockenes Plätzchen und verbrachten den Abend dort. Die kommende Nacht war eher ungemütlich: Starker Regen und starker Wind ließen einen nicht so recht zur Ruhe kommen!

dsc 0238Am Morgen des nächsten Tages Schneefall! Das kann einem halt auch im Sommer in den Westalpen mal passieren. Wir packten früh unsere Sachen und tuckerten langsam wieder hinunter ins Tal. Andy´s billiges Zelt hatte trotzdem die Nacht prima überstanden, ein paar riesige Hirtenhunde schlichen mehrmals neugierig um sein Zelt, wie er mir erzählte. Da man die Gesinnung der Hirtehunde nicht klar erkennen konnte, entfernte man sich am besten nicht zu weit von seinem Nachtlager!

Da Andy und ich nur noch wenig Zeit hatten, beschossen wir, uns vom Rest der Truppe zu verabschieden und noch zwei Tage zum Meer zu fahren. Über Cuneo und Tende erreichten wir bei Ventimiglia die ligurische Küste. Bei Cervo fanden wir etwas abseits einen Campinplatz, ein gar nicht so leichtes Unterfangen in der Hochsaison! Dort verbrachten wir bei sehr warmen Temperaturen noch zwei schöne Tage und spülten im warmen Mittelmeer den Staub der Tour runter. Zwei Tage darauf ging es über Genua, Pavia und dem Brenner zurück in die Oberpfalz.

Wenn ich diese Zeilen so tippe, kommt einem manches vor, als wäre es erst gestern gewesen! Viele der Eindrücke und Erlebnisse mit unseren 4x4-Freunden vergisst man nicht und lässt einen wohl ein Leben lang immer wieder mal dran denken. Obwohl mein Hilux mit seinen für heutige Verhältnisse eher bescheidenen 120 PS kein Durchzugswunder war, hat er die Tour gut überstanden, die fehlende Leistung glich halt in steileren Situationen die Untersetzung aus. Fährt man so eine Tour mit guten Bekannten, vergisst man natürlich auch einige lustige Anekdoten nicht. Heute, fast 12 Jahre später, weiß ich aktuell nicht, ob alle Strecken noch frei befahrbar sind. Aufgrund starker Frequentation speziell an Wochenenden sind Strecken wie die Assietta-Kammstraße wohl inzwischen limitiert und mit Strecken-Maut befahrbar, wie mir berichtet wurde. Da bin ich froh, das alles noch ohne Limit gefahren zu sein. Sollten irgendwann mal nur noch elektrische 4x4 rumfahren dürfen, dann wünsch ich jedem immer genügend Saft in den Akkus – oben auf 2800 m nach einer Steckdose zu suchen, dürfte schwierig werden! 

 

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